Gespräch mit Bürgermeister Michael Ludwig

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Der neue Parteichef der SPÖ Wien und Wiener Bürgermeister Dr. Michael Ludwig stand der Sektion 10 im Rahmen ihrer Jahreshauptversammlung Rede und Antwort.

Lieber Genosse Ludwig, eines der wesentlichen Themen, das die Zukunft der Stadt Wien entscheidend prägen wird, ist die zunehmende Digitalisierung. Welche Herausforderungen siehst du hier für die Sozialdemokratie?

Michael Ludwig: Die Digitalisierung wird meiner Meinung nach alle Lebensbereiche umfassen und auch verändern. Zum einen natürlich in der Arbeitswelt, aber weit darüber hinaus auch im gesamten gesellschaftlichen Zusammenleben. Es wird nicht die Frage sein, ob sie kommt oder nicht, denn sie wird kommen. Die Frage wird viel mehr sein, wie wir diesen Prozess politisch und gesellschaftlich begleiten. Und da geht es vor allem um die Frage der Gerechtigkeit, wie in vielen anderen Lebensbereichen auch. Denn die Digitalisierung wird ähnliche Auswirkungen haben wie die Industrielle Revolution. Es wird an uns, an der Sozialdemokratie liegen, dass wir diesen Prozess gemeinsam mit den Gewerkschaften begleiten, damit es auch zu einer gerechten Entwicklung kommt. Die Gefahr, die ich sehe ist schon, dass es durch diese neuen Technologien zu einer gesellschaftlichen Teilung kommt in jene Menschen, die einen Zugang zu diesen neuen Technologien finden, und jene, die von diesem Zugang ausgeschlossen sind.

Wo muss man hier konkret ansetzen?

Es wird vor allem notwendig sein, dass wir in allen Bereichen des Bildungssystems darauf reagieren. Das muss eigentlich schon in der Früherziehung beginnen, aber danach natürlich auch in der Schulausbildung und auch im universitären Bereich. Aber selbstverständlich müssen wir hier auch im Gebiet des lebensbegleitenden Lernens, also in den Einrichtungen der Erwachsenenbildung, Maßnahmen setzen. Gerade dort begleiten wir solche gesellschaftlichen Veränderungen sehr schnell mit entsprechenden Kursangeboten. Denn wir werden unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit nur erhalten können, wenn wir uns möglichst schnell auf diesen Prozess einstellen.

Unternehmen wir AirBnB oder Uber stellen viele europäische Großstädte schon jetzt vor große Herausforderungen. Die Folgen sind oftmals unfaire Wettbewerbsvorteile, Lohn- und Sozialdumping und negative Auswirkungen auf die Stadtentwicklung. Wie kann die Stadt Wien hier gegensteuern?

Es gibt aktuell schon eine enge Kooperation vor allem zwischen dem Wirtschaftsressort der Stadt Wien, der Wirtschaftskammer, der Arbeiterkammer aber auch den Gewerkschaften, um sich genau anzusehen, welche Auswirkungen es hier gibt. Es war zunächst schon mal wichtig, dass man das als Problem erkennt. Es gibt Städte, wo das Thema noch intensiver ist, aber auch bei uns in Wien wird es immer relevanter. Das muss man mit klarer Intervention der öffentlichen Hand regeln und begleiten, damit es hier zu keiner Wettbewerbsverzerrung kommt. Wir sind gerade dabei, uns vor allem für AirBnB verschiedene Modelle anzusehen, um eine Regelung zu finden, die für Wien ideal ist. Das muss eine Lösung sein, die vor allem sicher stellt, dass jene, die ihre Wohnungen zur Verfügung stellen auch dementsprechende Leistungen ins Sozialsystem abliefern. Und wichtig ist natürlich auch, dass nicht zusätzliche Wohnungen dem Markt entnommen werden, um diese ausschließlich Hotelgästen zu offerieren. (Anmerkung der Redaktion: Mittlerweile wurden hier schon konkrete Maßnahmen präsentiert, siehe z.B. hier)

Wo wir schon beim Thema Wohnen sind: Was ist im Bereich des Wohnbaus und konkret im Gemeindebau deine Vision für die Stadt Wien in den nächsten Jahre?

Tatsache ist, dass sich die Bevölkerungsstruktur im Gemeindebau in den letzten Jahrzehnten komplett verändert hat. Wo wir uns auch in Zukunft sehr anstrengen müssen ist, dass wir einen Wert, der typisch für die Stadt Wien ist, hochhalten müssen: den der sozialen Durchmischung. Im Unterschied zu anderen Städten gibt es bei uns keine Ghettos, weder für arme noch für reiche Menschen. Das war auch die Philosophie des Roten Wiens in der ersten Republik. Zum Beispiel zu sagen: „Auch in Döbling, wo es Villenviertel gibt, bauen wir den Karl-Marx-Hof“. Gemeindebauten und Genossenschaftsbauten gibt es über ganz Wien verteilt und wir werden die Gemeindebauten auch in Zukunft so besiedeln, dass sie nicht ausschließlich von sozial schwachen Personen bewohnt werden, so wie es z.B. in den Vororten von Paris der Fall ist.

Das Thema Islam wird in der SPÖ sehr kontrovers diskutiert. Oftmals hat man den Eindruck, die Sozialdemokratie hat beim Thema des radikalen Islams einiges vernachlässig. Wie wird die SPÖ Wien hier in Zukunft auftreten?

Ich bin prinzipiell gegen jede Form von Radikalismus und antidemokratische Bewegungen, das ist abzulehnen und muss mit aller Härte bekämpft werden! Wir haben eine sehr lange Tradition in Österreich, was die Einbeziehung des Islam und anderer Religionsgemeinschaften in das gesellschaftliche Leben betrifft. Man muss aber dennoch aktuellen antidemokratischen oder radikalen Tendenzen mit klarer Linie begegnen. Man muss hier auch klar unterscheiden zwischen jenen Menschen, die sich dem Islam als Religion zugehörig fühlen, und jenen, die damit Politik machen wollen. Denn das ist nicht zu akzeptieren!

Für mich ist in diesem Zusammenhang immer die Einstellung zur Demokratie, zu unserem Heimatland und zu dem, was wir uns gemeinsam über viele Jahrzehnte aufgebaut haben, von Bedeutung. Ich werde nicht zulassen, dass demokratische Errungenschaften in Österreich wieder zurückgebaut werden. Von niemanden, auch nicht von Menschen die glauben, sie können aus religiösen oder politischen Gründen das Rad der Zeit wieder zurückzudrehen. Das werde ich nicht zulassen! Dafür braucht es eine weiterhin eine gute Zusammenarbeit mit jenen, die sich zum Islam als Religion bekennen, aber eine scharfe Abgrenzung zu jenen die den Islam politisch instrumentalisieren wollen.

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